„Ich habe mir das Rauchen ständig schöngeredet“
Mein Name ist Marina (38) und ich war lange Zeit nikotinabhängig. Ursprünglich dachte ich, ich gehöre zu den wenigen Gelegenheitsraucherinnen, die ihren Konsum kontrollieren können. Doch in der Selbsthilfegruppe erkannte ich, dass ich mir das Rauchen nur schönredete. Die Ähnlichkeit zur Alkoholabhängigkeit wurde mir bewusst. Ich entschied mich, die Illusion der Freiheit aufzugeben. Der Nikotinentzug war körperlich und psychisch spürbar: innere Unruhe, Schwitzen, Verlangen, Reizbarkeit. In der Gruppe konnte ich darüber sprechen und die Unannehmlichkeiten ertragen. Positive Ziele halfen mir: besser riechen, mehr Ausdauer, saubere Finger. Es gab Höhen und Tiefen, nahe am Rückfall. Aber die Verbesserungen hielten mich auf Kurs. Die Gruppe war mein Rückhalt. Seit 8 Jahren bin ich rauchfrei. Ich fühle mich gut, frei und habe die Kontrolle.
Die Wirkung
Nikotin ist eine psychoaktive Substanz, die stimulierend auf das Nervensystem wirkt. Es erhöht die Herzfrequenz, den Blutdruck und führt zu einer kurzfristigen Steigerung der Konzentration und der Stimmung. Viele Menschen beginnen mit dem Rauchen als gelegentliche Gewohnheit, ohne die Absicht, abhängig zu werden. Doch im Laufe der Zeit kann sich der gelegentliche Konsum zu einem Missbrauch entwickeln, bei dem die Kontrolle über das Rauchen verloren geht.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Wirkung von Nikotin von Person zu Person unterschiedlich sein kann. Auch wenn manche Menschen vorübergehend positive Effekte erleben, kann der langfristige Nikotinkonsum zu schweren Gesundheitsproblemen führen, insbesondere im Zusammenhang mit Tabakrauchen. Die langfristigen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit überwiegen in der Regel die kurzfristigen positiven Effekte. Daher ist es ratsam, Nikotin zu meiden, um die Gesundheit zu schützen. (DKFZ 2008: 1)*
Formen des Nikotinkonsums
Rauchen ist eine weit verbreitete Form des Nikotinkonsums. Neben dem klassischen Rauchen von Tabakprodukten gibt es weitere Formen des Nikotinkonsums. Hier sind einige der gängigsten Formen aufgelistet:
- Zigaretten: Dies ist die bekannteste Form des Nikotinkonsums. Beim Zigarettenrauchen wird Tabak verbrannt und der Rauch inhaliert.
- E-Zigaretten und Vapes: Diese elektronischen Geräte erhitzen eine Flüssigkeit, die Nikotin und andere Chemikalien enthält, um Dampf zu erzeugen, den die Benutzer*innen inhalieren. Dies wird oft als „Dampfen“ bezeichnet.
- Kautabak und Schnupftabak: Kautabak (Snus) besteht aus gemahlenem Tabak, der im Mund gekaut wird, während Schnupftabak in die Nase geschnupft wird. Beide Formen ermöglichen die Nikotinaufnahme über die Schleimhäute.
- Nikotinpflaster und Nikotinkaugummis: Hierbei handelt es sich um rezeptfreie Produkte, die Nikotin in geringen Mengen abgeben, um den Rauchausstieg zu unterstützen. Nikotinpflaster werden auf die Haut geklebt, Nikotinkaugummis werden gekaut.
- Tabakerhitzer: Bei dieser Methode wird Tabak erhitzt, anstatt ihn zu verbrennen. Der erzeugte Dampf enthält Nikotin, der dann inhaliert wird.
(Sucht Schweiz 2018: 4ff)*
Risikoarmer Konsum
Der risikoarme Nikotinkonsum ist schwierig, da der Körper schnell von der Substanz abhängig wird. Regelmäßiger Konsum führt zu einer Toleranzentwicklung, sodass eine größere Menge Nikotin benötigt wird, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Dies verstärkt die Abhängigkeit und erschwert den Ausstieg.
Abhängigkeit
Bei Nikotinmissbrauch entwickelt sich sehr schnell eine körperliche Abhängigkeit, der eine psychische Abhängigkeit folgt. Körperlich äußert sie sich in Entzugssymptomen wie Reizbarkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und gesteigertem Verlangen nach Nikotin. Psychisch können Raucher*innen an rituelle Handlungen und Gewohnheiten des Rauchens gebunden sein, zum Beispiel Rauchen nach erledigter Arbeit, in Gesellschaft oder beim Warten auf den Bus, was das Aufhören zusätzlich erschwert.
Diagnostische Kriterien der Abhängigkeit (F17.2) nach ICD-10*:
Im ICD-10 wird die Nikotinabhängigkeit unter dem Punkt Tabakabhängigkeit erfasst. Folgende Kriterien wurden dafür aufgestellt:
- Starker Wunsch oder Zwang, psychotrope Substanzen (in diesem Fall nikotinhaltige Präparate) zu konsumieren.
- Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich Beginn, Beendigung und Menge des Konsums.
- Körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums.
- Nachweis einer Toleranz: Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erzielten Wirkungen der Substanz hervorzurufen, sind immer höhere Dosen erforderlich.
- Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand für Beschaffung, Konsum oder Erholung von den Folgen.
- Anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen körperlicher oder psychischer Art, wenn der Konsument sich über Art und Ausmaß der schädlichen Folgen im Klaren war oder zumindest davon auszugehen ist.
Nach ICD-10 spricht man von einer Abhängigkeit, wenn drei Kriterien innerhalb eines Jahres immer wieder oder während eines Monats kontinuierlich erfüllt sind. (AWMF:2021:35)**
**Der ICD-10 ist eine internationale Systematik zur Klassifizierung von Krankheiten und Gesundheitszuständen, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt wurde und weltweit genutzt wird. Eine neue Revision des ICD, der ICD-11, wurde 2020 von der WHO veröffentlicht, aber der ICD-10 bleibt weit verbreitet und wird in vielen Ländern immer noch verwendet.
Folgen der Nikotinabhängigkeit
Rauchen schädigt auf lange Sicht viele Organe: Das Herz-Kreislauf-System wird durch die Verengung der Blutgefäße schwer geschädigt. Das kann zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Wegen der schlechteren Durchblutung kommt es zum Gewebezerfall („Raucherbein“). Auch die Atmungsorgane sind betroffen. Die Folgen sind chronische Bronchitis (Raucher-
Katarrh, Raucher-Husten), Lungenblähung (Emphysem), Lungen- bzw. Bronchialkrebs (häufigste Todesursache), Kehlkopf- und Mundhöhlenkrebs. Durch das Rauchen lässt die Sehkraft nach, die Potenz wird gemindert und Rückenschmerzen werden verstärkt. (DHS 2021: 28)*
Der Ausstieg
Beim Nikotinentzug reagiert der Körper gestresst und verlangt nach Nikotin, weil er das abgebaute Nikotin wieder auffüllen möchte. Daher ist es sehr hilfreich, sich beim Ausstieg aus der Nikotinabhängigkeit Unterstützung zu holen.
Unterstützung beim Ausstieg bieten Krankenkassen und Suchtberatungsstellen u. a. mit einem verhaltenstherapeutischen Programm, für das die Krankenkassen auch Teile der Kosten übernehmen. Manchen künftigen Nichtraucher*innen fällt der Ausstieg mit Hilfe eines Nikotin-Ersatzpräparates, Akupunktur oder Hypnose leichter. (BKE 2010: 7)*
Auch eine Selbsthilfegruppe kann durch regelmäßige motivierende Gespräche zur erfolgreichen Nikotinabstinenz beitragen. Da viele Menschen in den Sucht-Selbsthilfegruppen jedoch selbst rauchen, ist die Integration eines nikotinabhängigen Menschen, der mit Hilfe der Gruppe das Rauchen aufgeben möchte, mit besonderen Schwierigkeiten und Hürden verbunden. Es bedarf vieler Gespräche und der Bereitschaft der rauchenden Selbsthilfegruppenmitglieder, sich zu ihrer eigenen Nikotinabhängigkeit zu bekennen und diese im Rahmen einer Solidarabstinenz zu überdenken.
Aber auch hier gelten – wie bei anderen Suchtformen ebenso – folgende Empfehlungen: Grundsätzlich gibt es zwei Hauptrichtungen, die eine Gruppe „im Falle, wenn …“ einschlagen kann: Die Gruppe ist offen für „anders Abhängige“ und nimmt den nikotinabhängigen Menschen auf oder die Gruppe fühlt sich nicht zuständig, gewillt oder in der Lage, nikotinabhängige Menschen zu integrieren, kann aber eventuell noch weitere Adressen vermitteln und verabschiedet die Betroffenen wieder. (BKE 2010: 9)*
Wie kann ich mehr über Abhängigkeit von Nikotin erfahren?
Viel Wissenswertes rund um das Thema Abhängigkeit von Nikotin haben wir in unserer BKE Suchbroschüre zusammengestellt.
Du kannst sie hier als PDF herunterladen ...
Wer hilft mir bei Abhängigkeit von Nikotin?
Unsere Selbsthilfegruppen vor Ort
Rechte Spalte unter "In deiner Nähe" die PLZ oder Ort eingeben und deine Gruppe finden.
Das BKE kann auf eine langjährige Erfahrung im Umgang mit Sucht und deren Überwindung zurückblicken. So ist jede unserer Gruppen vor Ort kompetent besetzt.
*Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (Hrsg.): „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“; Version 3.1. ;01/2021; Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/076-006l_S3_Rauchen-_Tabakabhaengigkeit-Screening-Diagnostik-Behandlung_2021-03.pdf; Zugriff am 13.06.2023, 2021
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ): „Nikotin Pharmakologische Wirkung und Entstehung der Abhängigkeit“; Verfügbar unter: https://www.dkfz.de/de/rauchertelefon/download/FzR_Nikotin.pdf, Zugriff am 06.07.2023, 2008
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), (Hrsg.): „Ein Angebot an alle, die einem nahestehenden Menschen helfen möchten. Alkohol, Medikamente, Tabak, illegale Drogen, süchtiges Verhalten“. Hamm: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2021
Sucht Schweiz (Hrsg.) (2021): Fact Sheet-Dossier Nikotinprodukte; Lausanne:2021
Blaues Kreuz in der Evangelischen Kirche Bundesverband e.V.: (BKE), (Hrsg.): „Suchterkrankung Rauchen – Sie haben es in der Hand“, 3. Auflage. Dortmund 2010